Hamburg in den Schatten

Das heutige Gesicht der Stadt ist der Schwarzen Flut von 2011 zu verdanken. Nach drei Tagen heftigster Stürme ging das Wasser einfach nicht wieder. Die Häfen waren zerstört, die Innenstadt verwüstet und eine Million Menschen obdachlos. Hunderttausende starben. Es folgten Monate des Ausnahmezustandes, in denen keiner so genau wusste, was eigentlich los war. Schmuggel und Tauschhandel boomten, die Kriminalitätsraten stiegen in den Himmel, und von der Politik war nichts zu sehen. Darum marschierte irgendwann die Bundeswehr ein, schlug mit der Faust auf den Tisch und hoffte, dass sich alle wieder beruhigen. Mitnichten.

Es stellte sich heraus, dass mit der Flut weitreichende Erdabsenkungen einhergegangen waren. Das Wasser wurden wir nicht mehr los. Und wo doch etwas abfloss, blieb eine stinkende, verpestete Mischung aus Schlick und Abfällen zurück. Heute würde das jeder mit Magie erklären. Damals war es anders. Man war ratlos, stellte wilde Spekulationen auf, zeigte mit anklagendem Finger in Richtung diverser Umweltsündern und ließ das Thema dann fallen wie eine heifle Kartoffel. Es gab anderes zu tun.

Plötzlich lag Hamburg am Meer. Die Elbmündung war vorbeigekommen und hatte beschlossen zu bleiben. Alle Wirtschaftsprobleme bezüglich Flussbreite und Hafentiefe waren dadurch geklärt, nur musste für den Hafenbetrieb die gesamte Infrastruktur erneuert werden.
Es dauerte ungefähr 15 Jahre, bis wirklich alles wieder halbwegs im Routinemodus ankam. Allerdings lief beim Bau nicht alles ganz rund. Die Goblinisierung mit ihren Sträßenkämpfen und Krawallen zog 2021 eine Spur der Verwüstung durch den Hafen. Und im gleichen Jahr fühlte sich der Große Drache Kaltenstein so sehr auf den Schlips getreten, dass er mehrere Tanker und Containerschiffe zerstörte und die gerade vollendete Anlage des Petroleumhafens dem Erdboden gleichmachte.

Kaum waren dann 2031 die Eurokriege ausgebrochen, erklärte sich Hamburg zur entmilitarisierten Zone. In Kooperation mit Konzernen wurden in einer Nacht- und Nebelaktion alle Militärkasernen geräumt. Dort zogen nach Ende der Kriege Flüchtlinge ein, die dann als billige Arbeitskräfte auf den Baustellen der Stadt eingesetzt wurden. Hamburg wuchs. Immer mehr Zuwanderer aus den unterschiedlichsten Ländern kamen und versuchten auf die eine oder andere Art, ihr Glück zu machen. Und wer schon da war, versuchte dasselbe.

Mit Gründung der ADL wuchs die Stadt dann auf dem Papier. Landkreise wurden umstrukturiert, Ländereien in andere Verwaltungseinheiten gestopft. Die ehemalige Metropolregion gehörte plötzlich zur Stadt, und Senat und Bürgerschaft waren davon gar nicht begeistert. Wer will auch schon kilometerweise toxisches Watt haben?

2065, nach dem Crash mit seinen ganzen Problemen, fingen die Arbeiten an dem stadtweiten AR-Netz an. Es dauerte Jahre und sorgte für Unmut bei der Bevölkerung, weil die Regierung sonst nichts auf die Reihe bekam. Die Quittung gab es bei den Wahlen 2067. Der neue Senat hielt gerade mal ein Jahr, bis er über die Belsen-Affäre fiel.
Nach einigen Anläufen und einem geänderten Wahlverfahren entstand dann ungefähr die Mischung, die heute noch im Rathaus sitzt.

Vesna Lyzhichenko ist langjährige Bürgermeisterin, obwohl sie eigentlich ständig Leute vor den Kopf stößt, unbequeme Entscheidungen trifft und in ihrer Verstaatlichungspolitik mehr als rabiat auftritt. Bisher hat sie alle Attentate und Putschversuche überlebt. In der Stadt wird die Einflussnahme von der Allianzregierung in Hannover oder den großen Konzernen als schlecht gesehen, die gute, alte hanseatische Unabhängigkeit als Ideal. Politisch eskalierte das 2070, als die Hamburger Allianzratsmitglieder medienwirksam gemeinsam den Sitzungsaal verließen und fast zeitgleich in Hamburg HAZMAT und HanSec den Bundesgrenzschutz unsanft vor die Tür setzten. Seitdem ist die HanSec die einzige Polizeigewalt der Stadt. Es begann die politische Eiszeit, die bis heute andauert. Ende Juni 2074 verübte dann jemand einen Anschlag auf die Aetherlink-Zentrale. Das gesamte Netz brach für mehrere Tage völlig zusammen, es dauerte Wochen, bis die Versorgung großflächig wiederhergestellt war. Während dieser Zeit kam es in manchen Stadtteilen zu Plünderungen und Straßenkämpfen, besonders im sonst so ruhigen Norden.
Das nachfolgende HanseGrid der DeMeKo brauchte einige Jahre, um richtig anzulaufen.

Auszug aus dem Buch Datapuls:ADL, Pegasus Spiele

Im nächsten bzw. letzten Post wird das aktuelle Hamburg Thema sein.


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